Unsere Übersicht über relevante Gerichtsurteile und rechtliche Entwicklungen hält Sie informiert.
Rechtsprechung und Gesetzgebung unterliegen einem stetigen Wandel. Neue Urteile sowie auch gesetzliche Änderungen können maßgebliche Auswirkungen auf die bestehende Rechtslage sowie die Anwendung gesetzlicher Vorschriften haben.
Wer unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wird, erwartet zu Recht, dass die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung den Schaden schnell und vollständig ersetzt. Viele Betroffene verlieren dabei jedoch unnötig Zeit – oder riskieren sogar finanzielle Nachteile – weil sie ohne rechtliche Unterstützung handeln. Ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (vom 31. Oktober 2024, Az. 30 W 7/24) zeigt deutlich, worauf es bei der Regulierung ankommt: Geduld, aber vor allem rechtliche Klarheit.
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein Unfallgeschädigter die Versicherung verklagt, weil diese seiner Meinung nach nicht rechtzeitig gezahlt hatte. Tatsächlich leistete die Versicherung allerdings noch vor Zustellung der Klage – also bevor sie offiziell damit konfrontiert wurde. Das Gericht stellte klar, dass die Klage zum damaligen Zeitpunkt verfrüht war. Denn: Einer Versicherung steht nach Eingang der vollständigen Unterlagen grundsätzlich eine Prüf- und Bearbeitungsfrist zu. Diese beträgt in der Regel vier bis sechs Wochen. Innerhalb dieses Zeitraums darf sie die Schadensunterlagen sichten, den Unfallhergang überprüfen und gegebenenfalls Rückfragen stellen. Erst wenn diese Frist verstrichen ist und keine Zahlung erfolgt, kann man ggf. davon ausgehen, dass sich die Versicherung in Verzug befindet – und eine Klage sinnvoll oder überhaupt zulässig ist.
Genau hier liegt das Risiko für viele Geschädigte: Wer diese Frist nicht kennt oder nicht beachtet, gefährdet den Erfolg seiner Ansprüche oder trägt unnötig Verfahrenskosten. Der Fall macht deshalb deutlich, wie wichtig es ist, sich unmittelbar nach einem Unfall rechtlich beraten zu lassen. So lässt sich sicherstellen, dass der Versicherer korrekt in Verzug gesetzt wird, alle Ansprüche vollständig und fristgerecht geltend gemacht werden – und eine unnötige Eskalation vermieden wird. Frühzeitige rechtliche Beratung in Unfallsachen vermeidet nicht nur rechtliche Fallstricke, sondern beschleunigt regelmäßig auch die Regulierung durch die gegnerische Haftpflichtversicherung.
- RA Sebastian Kurz, 25.03.2025 -
Die zunehmende Digitalisierung macht auch vor der Verkehrsüberwachung nicht halt. Mit der MonoCam-Technologie kommt erstmals ein KI-gestütztes System zum Einsatz, das Verstöße gegen das Handyverbot am Steuer automatisch erfasst. Die Frage, ob derartige Verfahren rechtlich zulässig sind, wurde vom Amtsgericht Trier in einem wegweisenden Urteil vom 2. März 2023 (Az.: 27c OWi 8041 Js 2838/23) entschieden.
Bei dem Verfahren ging es um eine Autofahrerin, die auf der A602 bei Trier von einer MonoCam erfasst wurde. Die KI-gestützte Software erkannte, dass sie während der Fahrt ein Mobiltelefon in der rechten Hand hielt und telefonierte. Daraufhin wurde ein Bußgeldverfahren eingeleitet, das schließlich vor Gericht landete. Die Betroffene argumentierte, dass die MonoCam-Technologie einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstelle und dass die Nutzung eines KI-gestützten Systems ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage nicht als Beweismittel herangezogen werden dürfe.
Das Amtsgericht Trier entschied jedoch, dass der Einsatz der MonoCam-Technologie rechtmäßig sei. Zwar sei die automatisierte Erfassung von Verkehrsteilnehmern ein Eingriff in deren Grundrechte, dieser sei jedoch durch das übergeordnete Interesse an der Verkehrssicherheit gerechtfertigt. Handyverstöße gelten als eine der häufigsten Unfallursachen, sodass der Einsatz einer effizienten Überwachungstechnik im Sinne des Gemeinwohls liege. Das Gericht sah die Verhältnismäßigkeit des Systems auch deshalb gewahrt, weil die erfassten Daten nicht allein von der KI, sondern nachträglich von geschultem Personal geprüft werden. Die Betroffene wurde daher zur Zahlung eines Bußgeldes von 100 Euro verurteilt.
Das Urteil bestätigt, dass moderne Technologien zur Verkehrsüberwachung grundsätzlich rechtmäßig eingesetzt werden können, sofern sie bestimmte rechtliche Maßstäbe einhalten. Für Betroffene bedeutet dies, dass derartige Verfahren nicht pauschal angreifbar sind, eine juristische Überprüfung im Einzelfall jedoch nach wie vor sinnvoll bleibt. Gerade im Hinblick auf Datenschutzbestimmungen, die technische Umsetzung und die behördliche Verarbeitung der Daten gibt es zahlreiche Angriffspunkte, die in zukünftigen Verfahren eine Rolle spielen könnten.
Auch wenn das Amtsgericht Trier den Einsatz der MonoCam-Technologie für zulässig erachtet hat, kann sich eine anwaltliche Prüfung eines Bußgeldbescheides lohnen. Wesentliche Fragen wie die eindeutige Beweisführung, die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben oder die korrekte behördliche Verarbeitung der Daten sollten stets durch einen erfahrenen Rechtsbeistand geprüft werden. Mit der zunehmenden Verbreitung von KI-gestützten Überwachungsmethoden wird die rechtliche Diskussion in diesem Bereich weiter an Bedeutung gewinnen. Die aktuelle Entscheidung zeigt, dass sich Betroffene nicht allein auf automatisierte Messverfahren verlassen sollten, sondern ihr Recht auf eine genaue Prüfung der erhobenen Daten in Anspruch nehmen sollten.
- RA Sebastian Kurz, 11.03.2025 -
Es kommt immer wieder vor, dass Geschädigte nach einem Verkehrsunfall versuchen, ihre Ansprüche direkt mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu klären. Dies mag auf den ersten Blick unkompliziert erscheinen, führt jedoch in vielen Fällen dazu, dass berechtigte Forderungen nicht vollständig oder gar nicht durchgesetzt werden.
Denn die gegnerische Versicherung verfolgt naturgemäß eigene wirtschaftliche Interessen und ist bestrebt, ihre Leistungspflicht so gering wie möglich zu halten. So kommt es regelmäßig vor, dass Schadenspositionen gekürzt oder vollständig abgelehnt werden, insbesondere wenn der Geschädigte ohne anwaltliche Vertretung agiert.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat bereits in seinem Urteil vom 1. Dezember 2014 (Az.: 22 U 171/13) bestätigt, dass Geschädigte gut beraten sind, sich frühzeitig anwaltliche Unterstützung zu sichern. In dem entschiedenen Fall hatte die gegnerische Versicherung den Geschädigten gezielt zu einer schnellen und vermeintlich unkomplizierten Schadensabwicklung gedrängt. Dabei wurden wesentliche Schadenspositionen – darunter Nutzungsausfall und Mietwagenkosten – erheblich gekürzt oder gar nicht erst erstattet.
Das OLG Frankfurt stellte klar, dass die Versicherung nicht berechtigt ist, durch einseitige Kürzungen den Geschädigten faktisch zu benachteiligen. Vielmehr betonte das Gericht, dass ein Geschädigter zur Wahrnehmung seiner Rechte in aller Regel einen Anwalt hinzuziehen sollte, um die vollständige Durchsetzung seiner Ansprüche sicherzustellen. Insbesondere dann, wenn es um die Regulierung von Folgeschäden, Wertminderungen oder den Ersatz von Gutachterkosten geht, bestehen regelmäßig erhebliche Differenzen zwischen dem, was der Geschädigte beanspruchen kann, und dem, was die Versicherung freiwillig zahlen möchte.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt unterstreicht, dass es sich für Geschädigte keinesfalls lohnt, auf eine anwaltliche Beratung zu verzichten. Die Kosten eines Rechtsanwalts sind in der Regel von der gegnerischen Versicherung zu tragen, sofern die Haftung des Unfallverursachers feststeht. Eine frühzeitige Beauftragung eines Anwalts stellt sicher, dass alle Schadenspositionen korrekt erfasst und gegenüber der Versicherung durchgesetzt werden.
Daher kann Unfallgeschädigten nur geraten werden, sich nicht auf die vermeintlich wohlwollenden Vorschläge der gegnerischen Versicherung einzulassen, sondern sich von Anfang an anwaltlich vertreten zu lassen, um ihre berechtigten Ansprüche in vollem Umfang durchzusetzen.
- RA Sebastian Kurz, 06.03.2025 -
Vermieter stehen oft vor dem Problem, nach Rückgabe der Mietsache vorgefundene Schäden innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von 6 Monaten ab Rückgabe (§ 548 BGB) geltend machen zu müssen. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Handwerker-Knappheit kann die Durchführung der notwendigen Reparaturen zum Wettlauf gegen die Zeit werden.
Diese Problematik wurde bestärkt durch die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, wonach im Werkvertragsrecht eine fiktive Schadensabrechnung nicht mehr möglich sei. Hiernach wurden Stimmen lauter, die eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Mietrecht forderten.
Dem hat der BGH (VIII. Zivilsenat) eine eindeutige Abfuhr erteilt. Die Erwägungen des VII Zivilsenats beruhen auf den Besonderheiten des Werkvertragsrecht und sind auf andere Vertragstypen nicht übertragbar – hierbei sind die beiden Senate sich einig.
Der Vermieter ist im Ergebnis daher nicht gezwungen, innerhalb der kurzen Zeit bereits vollständige Reparaturen durchzuführen. Vielmehr darf er die Kosten anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten („fiktiven“) Kosten bemessen – selbstredend netto. Diese Möglichkeit besteht sowohl für den sogenannten Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB), der dem Vermieter aufgrund des Wegfalls des Leistungsanspruchs (bspw. auf Durchführung von Schönheitsreparaturen oder auf Rückbau der Mietsache nach Rückgabe) zusteht, als auch für den sein Integritätsinteresse betreffenden Schadenersatz neben der Leistung (§ 280 Abs. 1 BGB) wegen Beschädigung der Mietsache.
- RAin Sabrina Sicken, 05. Februar 2025 -
Bisher ist es häufig vorgekommen, dass sich Arbeitnehmer unmittelbar nach Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses krankgemeldet und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt haben, die exakt den Zeitraum der Kündigungsfrist abdeckt. Obwohl die Arbeitgeberseite in derartigen Fällen regelmäßig Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung hatte, konnte sie den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kaum erschüttern.
In der Folge blieb dem betroffenen Arbeitgeber also zumeist nichts anders übrig, als für den Zeitraum der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch noch den Resturlaub abzugelten, weil auch eine erklärte Freistellung „ins Leere geht“, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist.
Nunmehr hat aber das Bundesarbeitsgericht die Arbeitgeberseite gestärkt und entschieden, dass die „passgenaue“ Übereinstimmung zwischen dem Zeitraum vom Zugang der Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also des Zeitraums der Kündigungsfrist mit demjenigen der Erkrankung des Arbeitnehmers den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert (BAG, Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23). Vorher galt dies wohl nur dann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und sich gleichlaufend entsprechend krank gemeldet hatte.
In einem solchen Fall – in dem also der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat – ist der Arbeitnehmer nunmehr ebenfalls zu der Darlegung verpflichtet, dass er tatsächlich erkrankt war, und muss dies ggf. sogar beweisen.
In derartigen Konstellationen kann Arbeitnehmern also künftig nur zur Vorsicht geraten werden und haben Arbeitgeber die Möglichkeit, auf solche „spontanen Erkrankungen“ als offenkundige Reaktion auf eine Kündigung entsprechend zu reagieren, die Arbeitsunfähigkeit also zu bestreiten und im ersten Schritt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückzuhalten.
- RA Dr. Jens Steudter, 23.09.2024 -
Oftmals erweisen sich die Schriftsätze von Anwälten oder die Urteile der Gerichte, die nur so vor juristischen Fachbegriffen und gestelzten Formulierungen strotzen, für den juristischen Laien als eine ganz eigene Sprache, von der man nur wenig versteht.
Dabei treten vor allem auch in Gesprächen zwischen Juristen und Nicht-Juristen immer wieder einige klassische Fehler und Verwechslungen auf, bei denen letztere Begriffe oder Redewendungen verwenden, die in der Welt der Rechtswissenschaft so nicht richtig sind. Dazu zwei der absoluten Klassiker:
1. „Das ist doch Erpressung“
Eine klassische Redewendung in unserer Sprache, wenn für ein bestimmtes Handeln, Dulden oder Unterlassen eine Gegenleistung gefordert wird, die dem anderen Part so nicht passt.
Tatsächlich findet sich in § 253 des Strafgesetzbuches – kurz StGB – ein eigenständiges Delikt, das mit „Erpressung“ überschrieben ist. Danach wird bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern.
Demgegenüber findet man in § 240 StGB den Straftatbestand der Nötigung, wonach derjenige bestraft wird, der einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.
Während für eine Erpressung also noch ein Vermögensnachteil und eine Bereicherungsabsicht hinzutreten muss, genügt für eine Nötigung die bloße Anwendung von Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel.
Wenn also gemein hin von einer „Erpressung“ gesprochen wird, ist damit im juristischen und strafrechtlichen Sinne zumeist allenfalls eine Nötigung gemeint.
2. „Wer ist denn der Besitzer?“
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe „Eigentum“ und „Besitz“ in aller Regel synonym benutzt. Ob sie sich nun als Eigentümer oder Besitzer ihres Autos bezeichnen, ist für die meisten Bürger ein und dasselbe.
Im juristischen Kontext beschreiben diese Fachbegriffe allerdings völlig unterschiedliche Rechtspositionen und fallen nicht immer zusammen.
Während der Besitz die tatsächliche Gewalt über eine Sache, also die tatsächliche Sachherrschaft darstellt, handelt es sich beim Eigentum um die rechtliche Herrschaft über eine solche. Heißt: Nur weil jemand eine Sache besitzt, bedeutet dies noch lange nicht, dass sie ihm auch gehört.
Ein klassisches praktisches Beispiel für das Auseinanderfallen von Eigentum und Besitz stellt die Wohnungsmiete dar. Während der Mieter Besitzer der Wohnung wird, bleibt der Vermieter trotzdem weiterhin Eigentümer dieser Wohnung, obwohl er den (unmittelbaren) Besitz verliert.
- RA Dr. Jens Steudter und Ref. jur. Christopher Koltes, 27.01.2025 -
Sollte kein Ehevertrag geschlossen worden sein, sieht das Gesetz vor, dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft Anwendung findet, was zur Folge hat, dass nach Rechtskraft der Scheidung möglicherweise ein Vermögensausgleich zwischen den Beteiligten vorzunehmen ist.
Von dieser gesetzlichen Regelung kann durch einen Ehevertrag, den die Beteiligten vor oder nach der Heirat schließen können, abgewichen werden. Neben der Zugewinngemeinschaft ist die Gütertrennung bzw. die modifizierte Zugewinngemeinschaft (Ausschluss des Zugewinnausgleiches bei Scheidung, allerdings nicht bei der Auflösung der Ehe durch den Tod) eine der häufigsten Güterstände, die in Deutschland ehevertraglich vereinbart werden.
Daneben sind Vereinbarungen betreffend die Begrenzung bzw. den Ausschluss des nachehelichen Unterhaltes sowie die Begrenzung bzw. den Verzicht des Versorgungsausgleiches in der familienrechtlichen Praxis gehäuft zu verzeichnen.
Grundsätzlich unterliegt die Regelung der Scheidungsfolgen der Disponibilität der Beteiligten, allerdings sind diesbezüglich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits Grenzen gesetzt worden; etwas Anderes kann insbesondere dann gelten, wenn eine erhebliche einseitige Benachteiligung eines Beteiligten durch den Ehevertrag im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen eintritt und der sog. „Kernbereich“ des Scheidungsfolgenrechts tangiert wird (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018, XII ZB 20/17).
In derartigen Konstellationen ist folglich eine detaillierte Prüfung der individuellen Verhältnisse unumgänglich, um einer gerichtlichen Entscheidung, die den geschlossenen Ehevertrag als sittenwidrig und damit als insgesamt nichtig deklariert, vorzubeugen.
Sollte es zu einer solchen gerichtlichen Entscheidung kommen, sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden, sodass der geschlossene Ehevertrag keine Wirkung hat.
- RAin Gianna Ehlen, 17.12.2024 -
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde mit der Zielsetzung erlassen, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.
Um diesem Ziel gerecht zu werden schafft der § 15 Abs. 2 AGG im Bereich des Arbeitsrechts einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber für alle immateriellen Schäden, die durch den Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot entstanden sind.
Besonders spannend ist dabei, dass gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG als Beschäftigte auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Arbeitsverhältnis gelten. Daran anknüpfend deckelt § 15 Abs. 2 S. 2 AGG den Entschädigungsanspruch bei einer Nichteinstellung auf drei Monatsgehälter, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
So besteht immerhin die Möglichkeit für den arbeitsuchenden Bürger im Falle einer Diskriminierung im Rahmen der Bewerbungsphase eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern zu erhalten, selbst wenn er auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Dies kann je nach den Umständen des Einzelfalls einen nicht unerheblichen „Geldsegen“ darstellen.
Dem Versuch eines Mannes, aus dieser Regelung auf unlautere Art und Weise Profit zu schöpfen, schob das Bundesarbeitsgericht in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung allerdings einen Riegel vor (BAG Urt. v. 19.09.2024, Az. 8 AZR 21/24).
Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass sich ein Mann auf eine Stelle als Bürokauffrau/Sekretärin bewarb, also auf eine Stellenanzeige, die sich offenkundig ausschließlich an Frauen richtete. Dies stellte sich aber nicht als seine einzige Bewerbung dieser Art heraus. Daneben bewarb er sich auf diverse weitere Stellenausschreibungen, die nicht geschlechtsneutral formuliert waren. Dies stellt regelmäßig einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aufgrund des Geschlechts dar, der zu einem oben genannten Entschädigungsanspruch führt.
Eine solche massenhafte Ausnutzung des AGG zu seinen Gunsten, obwohl er an dem eigentlichen Job gar kein Interesse hat, machte das Bundesarbeitsgericht aber nicht mit und lehnte den Anspruch als rechtsmissbräuchlich ab. Mit dieser Begründung hatte bereits das LAG Hamm den Anspruch in der Vorinstanz zurückgewiesen.
Mit einem solchen Vorgehen tut der Kläger keinem tatsächlich Diskriminierten einen Gefallen. Sind aber wirklich Anhaltspunkte für eine Diskriminierung im Bewerbungsprozess erkennbar, kann eine Geltendmachung des Anspruchs sehr wohl zweckmäßig und lohnenswert sein.
Bewerberinnen und Bewerber, die sich über eine Ablehnung ärgern, sollten den Sachverhalt daher vorzugsweise anwaltlich überprüfen lassen, zumal die private Rechtschutzversicherung damit verbundene Kosten üblicherweise abdeckt.
- RA Dr. Jens Steudter und Ref. Iur. Christopher Koltes, 03.12.2024 -
Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, in der sich versteckte Mängel zeigen, hatte nach der bisherigen Rechtsprechung erhebliche Probleme, dem Verkäufer die notwendige Arglist bei Vertragsabschluss nachzuweisen. Üblicherweise finden sich in Kaufverträgen nämlich umfangreiche Gewährleistungsausschlüsse für vorhandene Mängel.
Mit Urteil vom 21. Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof (V ZR 79/23) die strenge Rechtsprechung in einem Punkt gelockert. Der Verkäufer kann sich nicht mehr darauf zurückziehen, offenbarungspflichtige Tatsachen bekanntgegeben zu haben, wenn deren Umfang im Vergleich zu den tatsächlichen Gegebenheiten bagatellisiert wird.
Im entschiedenen Fall wurde bereits im Exposé auf einen konkreten Feuchtigkeitsschaden an einer Außenwand hingewiesen; der Schaden indes zog tatsächlich eine Sanierungsbedürftigkeit der gesamten Wohnung nach sich. Nach höchstrichterlicher Ansicht eignete sich die Wohnung nicht für die vertragsgemäße Verwendung. Ein Käufer darf auch bei einer Wohnung im Souterrain eines Altbaus regelmäßig davon ausgehen, dass diese trocken ist.
Der Verkäufer kann sich auf den vertraglichen Haftungsausschluss nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Hiervon ist auch bei erkennbaren Mängeln dann auszugehen, wenn der Verkäufer den wahren Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsache nicht angibt, sondern bagatellisiert.
Die dann folgende Auseinandersetzung ist für den Käufer dabei in aller Regel noch nicht einmal mit einem ernsthaften Kostenrisiko verbunden, da Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer gebrauchten Immobilie nicht unter den sog. "Bauherrenrisikoausschluss" fallen und daher von einem üblichen Rechtschutzpaket umfasst sind.
- RAin Sabrina Sicken, 12.11.2024 -
Eine vollständige räumliche Trennung zwischen den Ehegatten war bereits in der Vergangenheit keine zwingende Voraussetzung dafür, dass das Trennungsjahr zu laufen begann. Es wurde jedoch auf die „Trennung von Tisch und Bett“ auch innerhalb einer Ehewohnung und den Trennungswillen wenigstens eines Beteiligten abgestellt.
Mit Beschluss vom 28.03.2024, Az. 1 UF 160/23 hat das OLG Frankfurt die Voraussetzungen an eine Trennung von Ehegatten innerhalb einer Wohnung thematisiert.
Im Fall des OLG Frankfurt hielten die Ehegatten zwar getrennte Schlafplätze vor, gingen jedoch freundschaftlich miteinander um, nahmen gelegentlich noch gemeinsame Mahlzeiten ein oder nahmen Besorgungen für den jeweils anderen vor. Das Gericht ging dennoch von einer Trennung aus, da in diesem Einzelfall das Wohl der gemeinsamen Kinder zu berücksichtigen war und die verbleibenden Gemeinsamkeiten der Ehegatten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich gegenüber einem ehelichen Zusammenleben darstellten.
In derartigen Fällen ist es dennoch ratsam, die Trennung beispielsweise schriftlich festzuhalten, da die Beweislast bei demjenigen liegt, der sich auf ein entsprechendes Trennungsdatum beruft.
- RAin Gianna Ehlen, 28.10.2024 -
Jeder Arbeitsplatz wird dann durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor ordentlichen Kündigungen geschützt, sofern es sich nicht um einen sogenannten „Kleinbetrieb“ handelt und das fragliche Arbeitsverhältnis bereits mehr als ein halbes Jahr besteht. Es gibt allerdings Konstellationen, die auch dann eine Kündigung möglich machen. Neben den sogenannten verhaltens- und personenbedingten Kündigungen ist dies vor allem die betriebsbedingte Kündigung.
Der Arbeitgeber darf betriebsbedingt kündigen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse den Wegfall des Arbeitsplatzes unvermeidbar machen.
Wie das Arbeitsgericht Erfurt mit Urteil vom 23.04.2024 (ArbG Erfurt, 6. Kammer, Urt. v. 23.04.24, Az 6 Ca 40/24) entschied, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Ursache für den Arbeitsplatzwegfall substantiiert darzulegen. Er muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig entfallen.
Darüber hinaus darf es im gesamten Unternehmen keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer geben.
Besteht nun wirklich keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung, darf der Arbeitgeber aber keinesfalls den „erstbesten“ Arbeitnehmer kündigen. Er muss vielmehr eine Sozialauswahl zwischen allen in Frage kommenden Arbeitnehmern durchführen.
Dazu wird im ersten Schritt der Personenkreis von vergleichbaren Arbeitnehmern ermittelt. Vergleichbar sind alle Arbeitnehmer, die sich auf derselben Betriebshierarchie befinden und mit dem zu Kündigenden austauschbar sind.
Im zweiten Schritt wird nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG eine Auswahlentscheidung anhand der Kategorien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, etc. getroffen.
Im letzten Schritt kann der Arbeitgeber prüfen, ob einzelne Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht einzubeziehen sind, da es sich um unabdingbare „Leistungsträger“ des Betriebs handelt. Dies dürfte aber die Ausnahme sein.
Der Arbeitnehmer kann sich also merken: Gibt es eine vergleichbare Kollegin oder einen Kollegen, der weniger sozial schützenswürdig ist, kann die Kündigung auf jeden Fall beanstandet werden. Unsere jahrzehntelange Tätigkeit vor dem Arbeitsgericht hat dabei gezeigt, dass die meisten betriebsbedingten Kündigungen angreifbar und letztlich (sozial) ungerechtfertigt sind. Sofern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann erfahrungsgemäß nicht unbedingt an dem Arbeitsplatz „mit aller Gewalt“ festhalten wollen, wird regelmäßig eine Abfindung verhandelt.
- RA Dr. Jens Steudter und Stud. Iur. Wiebke Häser, 07.10.2024 -