Aktuelles

Aktuelles - Recht kompakt und verständlich aufbereitet.

Unsere Übersicht über relevante Gerichtsurteile und rechtliche Entwicklungen hält Sie informiert.


Rechtsprechung und Gesetzgebung unterliegen einem stetigen Wandel. Neue Urteile sowie auch gesetzliche Änderungen können maßgebliche Auswirkungen auf die bestehende Rechtslage sowie die Anwendung gesetzlicher Vorschriften haben.



  • Vorsicht bei ehevertraglichem „Globalverzicht“

    Sollte kein Ehevertrag geschlossen worden sein, sieht das Gesetz vor, dass der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft Anwendung findet, was zur Folge hat, dass nach Rechtskraft der Scheidung möglicherweise ein Vermögensausgleich zwischen den Beteiligten vorzunehmen ist.


    Von dieser gesetzlichen Regelung kann durch einen Ehevertrag, den die Beteiligten vor oder nach der Heirat schließen können, abgewichen werden. Neben der Zugewinngemeinschaft ist die Gütertrennung bzw. die modifizierte Zugewinngemeinschaft (Ausschluss des Zugewinnausgleiches bei Scheidung, allerdings nicht bei der Auflösung der Ehe durch den Tod) eine der häufigsten Güterstände, die in Deutschland ehevertraglich vereinbart werden.


    Daneben sind Vereinbarungen betreffend die Begrenzung bzw. den Ausschluss des nachehelichen Unterhaltes sowie die Begrenzung bzw. den Verzicht des Versorgungsausgleiches in der familienrechtlichen Praxis gehäuft zu verzeichnen.


    Grundsätzlich unterliegt die Regelung der Scheidungsfolgen der Disponibilität der Beteiligten, allerdings sind diesbezüglich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits Grenzen gesetzt worden; etwas Anderes kann insbesondere dann gelten, wenn eine erhebliche einseitige Benachteiligung eines Beteiligten durch den Ehevertrag im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen eintritt und der sog. „Kernbereich“ des Scheidungsfolgenrechts tangiert wird (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2018, XII ZB 20/17).


    In derartigen Konstellationen ist folglich eine detaillierte Prüfung der individuellen Verhältnisse unumgänglich, um einer gerichtlichen Entscheidung, die den geschlossenen Ehevertrag als sittenwidrig und damit als insgesamt nichtig deklariert, vorzubeugen.


    Sollte es zu einer solchen gerichtlichen Entscheidung kommen, sind die gesetzlichen Regelungen anzuwenden, sodass der geschlossene Ehevertrag keine Wirkung hat.



    - RAin Gianna Ehlen, 17.12.2024 -

  • Entschädigung für Herrn Sekretärin?

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wurde mit der Zielsetzung erlassen, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.


    Um diesem Ziel gerecht zu werden schafft der § 15 Abs. 2 AGG im Bereich des Arbeitsrechts einen Entschädigungsanspruch gegen den Arbeitgeber für alle immateriellen Schäden, die durch den Verstoß gegen ein Benachteiligungsverbot entstanden sind.


    Besonders spannend ist dabei, dass gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 AGG als Beschäftigte auch die Bewerberinnen und Bewerber für ein Arbeitsverhältnis gelten. Daran anknüpfend deckelt § 15 Abs. 2 S. 2 AGG den Entschädigungsanspruch bei einer Nichteinstellung auf drei Monatsgehälter, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.


    So besteht immerhin die Möglichkeit für den arbeitsuchenden Bürger im Falle einer Diskriminierung im Rahmen der Bewerbungsphase eine Entschädigung von bis zu drei Monatsgehältern zu erhalten, selbst wenn er auch ohne Diskriminierung nicht eingestellt worden wäre. Dies kann je nach den Umständen des Einzelfalls einen nicht unerheblichen „Geldsegen“ darstellen.


    Dem Versuch eines Mannes, aus dieser Regelung auf unlautere Art und Weise Profit zu schöpfen, schob das Bundesarbeitsgericht in seiner kürzlich ergangenen Entscheidung allerdings einen Riegel vor (BAG Urt. v. 19.09.2024, Az. 8 AZR 21/24).


    Der Entscheidung lag der Sachverhalt zu Grunde, dass sich ein Mann auf eine Stelle als Bürokauffrau/Sekretärin bewarb, also auf eine Stellenanzeige, die sich offenkundig ausschließlich an Frauen richtete. Dies stellte sich aber nicht als seine einzige Bewerbung dieser Art heraus. Daneben bewarb er sich auf diverse weitere Stellenausschreibungen, die nicht geschlechtsneutral formuliert waren. Dies stellt regelmäßig einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot aufgrund des Geschlechts dar, der zu einem oben genannten Entschädigungsanspruch führt. 


    Eine solche massenhafte Ausnutzung des AGG zu seinen Gunsten, obwohl er an dem eigentlichen Job gar kein Interesse hat, machte das Bundesarbeitsgericht aber nicht mit und lehnte den Anspruch als rechtsmissbräuchlich ab. Mit dieser Begründung hatte bereits das LAG Hamm den Anspruch in der Vorinstanz zurückgewiesen.

    Mit einem solchen Vorgehen tut der Kläger keinem tatsächlich Diskriminierten einen Gefallen. Sind aber wirklich Anhaltspunkte für eine Diskriminierung im Bewerbungsprozess erkennbar, kann eine Geltendmachung des Anspruchs sehr wohl zweckmäßig und lohnenswert sein.


    Bewerberinnen und Bewerber, die sich über eine Ablehnung ärgern, sollten den Sachverhalt daher vorzugsweise anwaltlich überprüfen lassen, zumal die private Rechtschutzversicherung damit verbundene Kosten üblicherweise abdeckt.



    - RA Dr. Jens Steudter und Ref. Iur. Christopher Koltes, 03.12.2024 -

  • Inwieweit muss der Verkäufer Mängel beim Hauskauf offenlegen?

    Wer ein Haus oder eine Wohnung kauft, in der sich versteckte Mängel zeigen, hatte nach der bisherigen Rechtsprechung erhebliche Probleme, dem Verkäufer die notwendige Arglist bei Vertragsabschluss nachzuweisen. Üblicherweise finden sich in Kaufverträgen nämlich umfangreiche Gewährleistungsausschlüsse für vorhandene Mängel. 


    Mit Urteil vom 21. Juni 2024 hat der Bundesgerichtshof (V ZR 79/23) die strenge Rechtsprechung in einem Punkt gelockert. Der Verkäufer kann sich nicht mehr darauf zurückziehen, offenbarungspflichtige Tatsachen bekanntgegeben zu haben, wenn deren Umfang im Vergleich zu den tatsächlichen Gegebenheiten bagatellisiert wird. 


    Im entschiedenen Fall wurde bereits im Exposé auf einen konkreten Feuchtigkeitsschaden an einer Außenwand hingewiesen; der Schaden indes zog tatsächlich eine Sanierungsbedürftigkeit der gesamten Wohnung nach sich. Nach höchstrichterlicher Ansicht eignete sich die Wohnung nicht für die vertragsgemäße Verwendung. Ein Käufer darf auch bei einer Wohnung im Souterrain eines Altbaus regelmäßig davon ausgehen, dass diese trocken ist. 


    Der Verkäufer kann sich auf den vertraglichen Haftungsausschluss nicht berufen, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen hat. Hiervon ist auch bei erkennbaren Mängeln dann auszugehen, wenn der Verkäufer den wahren Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsache nicht angibt, sondern bagatellisiert. 


    Die dann folgende Auseinandersetzung ist für den Käufer dabei in aller Regel noch nicht einmal mit einem ernsthaften Kostenrisiko verbunden, da Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer gebrauchten Immobilie nicht unter den sog. "Bauherrenrisikoausschluss" fallen und daher von einem üblichen Rechtschutzpaket umfasst sind.


     

    - RAin Sabrina Sicken, 12.11.2024 - 

  • Zur Voraussetzung des Trennungsjahres bei Scheidung

    Eine vollständige räumliche Trennung zwischen den Ehegatten war bereits in der Vergangenheit keine zwingende Voraussetzung dafür, dass das Trennungsjahr zu laufen begann. Es wurde jedoch auf die „Trennung von Tisch und Bett“ auch innerhalb einer Ehewohnung und den Trennungswillen wenigstens eines Beteiligten abgestellt. 


    Mit Beschluss vom 28.03.2024, Az. 1 UF 160/23 hat das OLG Frankfurt die Voraussetzungen an eine Trennung von Ehegatten innerhalb einer Wohnung thematisiert.


    Im Fall des OLG Frankfurt hielten die Ehegatten zwar getrennte Schlafplätze vor, gingen jedoch freundschaftlich miteinander um, nahmen gelegentlich noch gemeinsame Mahlzeiten ein oder nahmen Besorgungen für den jeweils anderen vor. Das Gericht ging dennoch von einer Trennung aus, da in diesem Einzelfall das Wohl der gemeinsamen Kinder zu berücksichtigen war und die verbleibenden Gemeinsamkeiten der Ehegatten sich in der Gesamtbetrachtung als unwesentlich gegenüber einem ehelichen Zusammenleben darstellten.

    In derartigen Fällen ist es dennoch ratsam, die Trennung beispielsweise schriftlich festzuhalten, da die Beweislast bei demjenigen liegt, der sich auf ein entsprechendes Trennungsdatum beruft.



    - RAin Gianna Ehlen, 28.10.2024 -

  • Wann darf betriebsbedingt gekündigt werden?

    Jeder Arbeitsplatz wird dann durch das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor ordentlichen Kündigungen geschützt, sofern es sich nicht um einen sogenannten „Kleinbetrieb“ handelt und das fragliche Arbeitsverhältnis bereits mehr als ein halbes Jahr besteht. Es gibt allerdings Konstellationen, die auch dann eine Kündigung möglich machen. Neben den sogenannten verhaltens- und personenbedingten Kündigungen ist dies vor allem die betriebsbedingte Kündigung. 


    Der Arbeitgeber darf betriebsbedingt kündigen, wenn dringende betriebliche Erfordernisse den Wegfall des Arbeitsplatzes unvermeidbar machen.  


    Wie das Arbeitsgericht Erfurt mit Urteil vom 23.04.2024 (ArbG Erfurt, 6. Kammer, Urt. v. 23.04.24, Az 6 Ca 40/24) entschied, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Ursache für den Arbeitsplatzwegfall substantiiert darzulegen. Er muss konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig entfallen.  


    Darüber hinaus darf es im gesamten Unternehmen keine anderweitige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer geben.  


    Besteht nun wirklich keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung, darf der Arbeitgeber aber keinesfalls den „erstbesten“ Arbeitnehmer kündigen. Er muss vielmehr eine Sozialauswahl zwischen allen in Frage kommenden Arbeitnehmern durchführen.  


    Dazu wird im ersten Schritt der Personenkreis von vergleichbaren Arbeitnehmern ermittelt. Vergleichbar sind alle Arbeitnehmer, die sich auf derselben Betriebshierarchie befinden und mit dem zu Kündigenden austauschbar sind.  


    Im zweiten Schritt wird nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG eine Auswahlentscheidung anhand der Kategorien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten, etc. getroffen. 


    Im letzten Schritt kann der Arbeitgeber prüfen, ob einzelne Arbeitnehmer gem. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG nicht einzubeziehen sind, da es sich um unabdingbare „Leistungsträger“ des Betriebs handelt. Dies dürfte aber die Ausnahme sein. 


     

    Der Arbeitnehmer kann sich also merken: Gibt es eine vergleichbare Kollegin oder einen Kollegen, der weniger sozial schützenswürdig ist, kann die Kündigung auf jeden Fall beanstandet werden. Unsere jahrzehntelange Tätigkeit vor dem Arbeitsgericht hat dabei gezeigt, dass die meisten betriebsbedingten Kündigungen angreifbar und letztlich (sozial) ungerechtfertigt sind. Sofern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann erfahrungsgemäß nicht unbedingt an dem Arbeitsplatz „mit aller Gewalt“ festhalten wollen, wird regelmäßig eine Abfindung verhandelt. 


     

    - RA Dr. Jens Steudter und Stud. Iur. Wiebke Häser, 07.10.2024 - 

  • Vorsicht bei „punktgenauer“ Krankmeldung nach Kündigung

    Bisher ist es häufig vorgekommen, dass sich Arbeitnehmer unmittelbar nach Erhalt einer arbeitgeberseitigen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses krankgemeldet und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt haben, die exakt den Zeitraum der Kündigungsfrist abdeckt. Obwohl die Arbeitgeberseite in derartigen Fällen regelmäßig Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung hatte, konnte sie den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kaum erschüttern. 


    In der Folge blieb dem betroffenen Arbeitgeber also zumeist nichts anders übrig, als für den Zeitraum der Kündigungsfrist dem Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu leisten, und nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch noch den Resturlaub abzugelten, weil auch eine erklärte Freistellung „ins Leere geht“, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. 


    Nunmehr hat aber das Bundesarbeitsgericht die Arbeitgeberseite gestärkt und entschieden, dass die „passgenaue“ Übereinstimmung zwischen dem Zeitraum vom Zugang der Kündigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also des Zeitraums der Kündigungsfrist mit demjenigen der Erkrankung des Arbeitnehmers den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert (BAG, Urteil vom 13.12.2023, 5 AZR 137/23). Vorher galt dies wohl nur dann, wenn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt und sich gleichlaufend entsprechend krank gemeldet hatte.


    In einem solchen Fall – in dem also der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat – ist der Arbeitnehmer nunmehr ebenfalls zu der Darlegung verpflichtet, dass er tatsächlich erkrankt war, und muss dies ggf. sogar beweisen. 


     

    In derartigen Konstellationen kann Arbeitnehmern also künftig nur zur Vorsicht geraten werden und haben Arbeitgeber die Möglichkeit, auf solche „spontanen Erkrankungen“ als offenkundige Reaktion auf eine Kündigung entsprechend zu reagieren, die Arbeitsunfähigkeit also zu bestreiten und im ersten Schritt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zurückzuhalten.



    - RA Dr. Jens Steudter, 23.09.2024 -


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